Ich fahre im T-Shirt mit dem Fahrrad um eine Kurve auf eine Rheinbrücke zu; sehe von weitem einen aschfahlen, großen, mit dem Handy telefonierenden Jogginganzugmann, ungefähr verlebte vierzig. Als ich in sein Blickfeld radle verlangsamt er seinen Schritt, dreht sich frontal zu mir, bleibt stehen, und sagt, für mich deutlich hörbar, da er fast schreit, in sein Telefon: „Warte ma‘ kurz, ich muss kurz Titten kucken.“
Ich düste ja nun mit dem Radl an ihm vorbei, hatte also weder Idee noch Gelegenheit für eine angemessene Replik. Davon ab dass ich auch mit mehr Zeit angesichts dieser Schamlosigkeit zu baff war, um mir was Gebührendes einfallen zu lassen. Und weiter: was wäre denn da bloß angemessen? Ich verstehe das Phänomen „Faszination Brüste.“ Sie sind toll. Könnte man sie wie die fancy Urzeitkrebse selber züchten wären sie der Dauerbrenner des YPS-Heftes. Manchmal muss man kucken. Man kann das nur eben auch eleganter lösen.
Seit nun bald 20 Jahren habe ich einen Frauenkörper. Es passiert einem oft ein ähnlicher Murks. Oder Schlimmeres. Ich bekam mal in einer Disko volles Rohr eine gezimmert, weil ich jemanden davon abhalten wollte, weiter meinen Hintern zu betätscheln. Der Tatscher zog voll durch, ich landete auf dem Boden der Tanzfläche und hatte Herzrasen und musste mich die darauffolgenden Wochen gemäß dem abgeflogenen Reiter wieder aufs Discopferd zwingen.
In Indien geriet ich beim Holi-Fest in einen Pulk besoffener Jungmänner, innerhalb von Sekunden hatte ich Hände überall, unzählige, im Shirt, in der Unterhose; fiese Griffel , die an meinen Brüsten und Haaren geradezu rissen. Ich träumte davon noch oft. Machtverlust plus unaufhaltbare Ekelfinger überall gleich Schreckgespenst. Mich retteten damals drei alte Inder. Ich versuchte, mir nicht auszumalen, was sonst geschehen wäre.
Meiner Freundin X wurde mal in meinem Beisein ins Gesicht gerotzt; auch sie wollte nicht, dass man beim Tanz an ihrem Arsch grabbelte.
Ich kenne keine Frau, die zu diesem Thema nicht zwei bis 50 kleine Stories beisteuern könnte.
Körperlich Fieses passierte mir schon lange nicht mehr. Weil ich ebenso lange nicht mehr alle nur mögliche Freizeit im Nachtleben und dem dazugehörigen ÖPNV zubringe, und weil man ab Mitte 20 vielleicht eine etwas andere Ausstrahlung hat. Oder so. Das ist wirklich nur ein sehr popeliger Erklärungsansatz dazu.
Ich habe ja mittlerweile auch eine Tochter. Wenn ich 15 Jahre weiter denke wird mir etwas übel. Ich werde sie davor nicht beschützen können. Das können nur die Jungseltern mittels Erziehung ihrer Söhne. Ich kann meinem Mädchen nur ein gutes Selbstwertgefühl verpassen, wie ich auch von meiner Mutter eines verpasst bekam, und das dafür sorgt, dass man sich umdreht und sich wehrt, fühlt man eine unliebsame Pranke am Arsch. Gut, vielleicht zwinge ich sie später noch zu ein bisschen Kampfsport, sehen wir mal.
Die neuerliche Brückensequenz führt meine persönliche Pennerliste nun erstmal ein paar Tage an. Hoffentlich kacken ihm auf seinem Weg noch zwei Tauben in die Augen, das täte mich freuen. Und wäre, wie ich finde, das Mindeste.